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Wird Web3 weiblich(er)? – Feministische Perspektiven auf Krypto-Projekte

 

Wird Web3 weiblich(er)? – Feministische Perspektiven auf Krypto-Projekte

Die Blockchain-Welt galt lange als Männerdomäne – Tech-Bros, die in Discord-Channels über „Diamond Hands" philosophieren, während Frauen systematisch ausgeschlossen wurden. Doch etwas verändert sich: Feministische Ökonominnen entdecken das revolutionäre Potenzial der Blockchain für Care-Arbeit, kollektive Ownership und alternative Wirtschaftsmodelle. Aber wird Web3 wirklich inklusiver – oder reproduziert es nur alte Machtstrukturen in neuen Gewändern?


Die männliche Gründungsgeschichte von Crypto

Als Satoshi Nakamoto 2009 Bitcoin entwickelte, war das revolutionär – aber die Community, die daraus entstand, alles andere als divers. Studien zeigen: Nur etwa 15-20% der Crypto-Investoren sind weiblich, bei Blockchain-Entwicklern liegt der Frauenanteil sogar unter 10%. Das Problem liegt tiefer als nur in der Technologie selbst.

Die frühe Crypto-Kultur war geprägt von Libertarismus, Anti-Establishment-Rhetorik und einem sehr spezifischen Verständnis von Freiheit – meist ohne die strukturellen Ungleichheiten mitzudenken, die Frauen, People of Color und andere marginalisierte Gruppen betreffen. Wie ich bereits in meinem Artikel über rechte Narrative in der Krypto-Szene analysiert habe, reproduziert der Bitcoin-Maximalismus oft patriarchale Denkstrukturen.

[Grafik: Historical timeline showing crypto development with gender statistics visualization]

Care-Ökonomie trifft Blockchain

Hier wird es spannend: Feministische Ökonominnen wie Silvia Rivera Cusicanqui und die Theoretikerin des "Commons" Elinor Ostrom hätten vermutlich Blockchain-Technologie geliebt – nicht für Spekulation, sondern für ihre Möglichkeiten, Care-Arbeit und kollektive Ressourcen zu organisieren.

Care-Token: Digitale Wertschätzung für unsichtbare Arbeit

Stell dir vor, deine Nachbarin bekommt Token dafür, dass sie regelmäßig ältere Menschen im Viertel besucht. Oder eine Mutter erhält Crypto-Rewards für Erziehungsarbeit. Projekte wie Care.fi oder HumanDAO experimentieren bereits mit solchen Modellen – sie tokenisieren Care-Arbeit und machen sie ökonomisch sichtbar.

Das ist radikal, weil es das kapitalistische Mantra "nur bezahlte Arbeit ist wertvolle Arbeit" durchbricht. Wie in meinem Artikel über Care-Arbeit und DeFi beschrieben, könnten DAOs Care-Work direkt finanzieren.

Kollektive Ownership statt Whale-Dominanz

Während in traditionellen Crypto-Projekten oft einzelne "Whales" die Kontrolle haben, experimentieren feministische Projekte mit radikal anderen Governance-Modellen. 

Das erinnert an genossenschaftliche Strukturen: Eine Person, eine Stimme – egal wie viel Kapital dahinter steht. Solche Ansätze findest du auch in meinem Guide über genossenschaftliche DAOs.

Feministische DeFi-Experimente

Mikrofinanz auf der Blockchain

In Nigeria nutzen Frauen bereits Kiva Protocol – ein DeFi-System für Mikrokredite ohne traditionelle Banken. Statt auf Kreditscores setzen sie auf Community-Vertrauen und soziale Netzwerke. Das ist besonders relevant, weil Frauen weltweit schwerer Zugang zu Finanzdienstleistungen haben.

Wenn du selbst in DeFi investieren möchtest, starte am besten bei etablierten Plattformen. Hier ist mein KuCoin Affiliate-Link, wo du auch kleinere, experimentelle Projekte findest. Für europäische User ist Bitcoin.de eine gute Alternative für den Einstieg.

Reproductive Rights und Blockchain

Hier wird's politisch: Nach dem Fall von Roe v. Wade in den USA nutzen Aktivistinnen Privacy-Coins wie Monero, um Abtreibungen anonym zu finanzieren. Planned Parenthood wird von der DAO COWGIRLDAO unterstützt. COWGIRLDAO sammelt Spenden in Crypto, die schwerer zu verfolgen sind als traditionelle Banküberweisungen.

Wie ich in meinem Artikel über Privacy Coins erklärt habe, wird Anonymität bei Transaktionen zunehmend politisch relevant – besonders für marginalisierte Gruppen.

Die blinden Flecken: Wo feministische Krypto scheitert

Das Greenwashing-Problem

Nicht alles, was sich "feministisch" nennt, ist es auch. Women in Crypto Events sponsored von Binance sind oft nur Marketing – während die gleichen Exchanges weiter auf umweltschädliche Mining-Praktiken setzen und ihre Leadership-Teams männlich dominiert bleiben.

Echte feministische Krypto-Projekte müssen Intersektionalität mitdenken: Wie betreffen unsere Blockchain-Projekte Frauen im Globalen Süden? Welche ökologischen Kosten haben sie? Meine Analyse zu klimafreundlichen Wallets zeigt: Nachhaltigkeit und Feminismus gehören zusammen.

Der Tech-Skill-Gap

Blockchain ist komplex. Smart Contracts zu programmieren erfordert Skills, die traditionell in männlich dominierten Informatik-Studiengängen gelehrt werden. Das schließt viele Frauen strukturell aus – nicht weil sie weniger technik-affin wären, sondern weil ihnen der Zugang fehlt.

Projekte wie RailsGirls Crypto oder Women Build Web3 versuchen das zu ändern, aber der Gender-Gap in der Blockchain-Development bleibt riesig.

Tokenomics und Privilege

Hier liegt ein fundamentaler Widerspruch: Die meisten Crypto-Projekte setzen auf "Skin in the Game" – wer mehr Token hat, hat mehr Macht. Das bevorzugt systematisch Menschen, die bereits Kapital besitzen. Und das sind statistisch gesehen öfter Männer mit privilegierten Hintergründen.

Feministische Projekte müssen radikal andere Token-Verteilungsmodelle entwickeln. Universal Basic Assets Experimente wie bei GoodDollar gehen in die richtige Richtung, sind aber noch experimentell.

Erfolgreiche feministische Crypto-Projekte

She256: Community Building on-chain

She256 ist mehr als nur ein Networking-Event. Sie bauen eine On-Chain-Reputation für Frauen in Blockchain auf – über ein System von NFT-Badges für Achievements, Mentoring und Community-Beiträge. Das schafft alternative Karrierewege jenseits traditioneller Tech-Hierarchien.

Proof of Humanity: Demokratische Teilhabe

Das Proof of Humanity Protokoll bekämpft Sybil-Attacken durch menschliche Verifikation – aber mit einem feministischen Twist: Es erkennt explizit an, dass "Mensch sein" mehr ist als biometrische Daten. Trans-Personen, People of Color und Frauen werden in der Verifikation mitgedacht.

Wie in meinem Artikel über Proof of Humanity beschrieben, geht es um digitale Identität jenseits von Diskriminierung.

Gitcoin Grants: Funding the Commons

Gitcoin nutzt Quadratic Funding – ein System, bei dem kleine Beiträge vieler Menschen überproportional belohnt werden. Das bevorzugt Community-orientierte Projekte gegenüber VC-finanzierten Startups. Viele der erfolgreichsten Grants gehen an feministische und Care-orientierte Blockchain-Projekte.

Praktische Tipps: Feministisch investieren in Crypto

1. Research beyond the Hype

Bevor du in ein "Women in Crypto" Projekt investierst, check die Fundamentals: Wer ist wirklich im Team? Wie ist das Token-Verteilungsmodell? Welche realen Problems löst das Projekt?

Nutze Tools wie CoinTracker für Portfolio-Tracking und Koinly für die Steuererklärung – beide unterstützen auch kleinere, experimentelle Token.

2. Start small, think collective

Du musst nicht mit 10.000€ einsteigen. Wie in meinem Guide über Krypto mit wenig Geld erklärt, kannst du bereits mit 50€ experimentieren.

Besser noch: Gründe einen Investment-Club mit Freundinnen. Gemeinsam könnt ihr euch Projekte teilen, Risiken streuen und voneinander lernen.

3. Hardware-Wallet für Sicherheit

Feministische Crypto-Projekte sind oft experimentell und damit risikoreicher. Eine sichere Aufbewahrung ist essentiell. Ich empfehle den Ledger Nano X oder Trezor Safe 5 – beide unterstützen auch kleinere Altcoins.

Intersektionale Blockchain: Race, Class, Gender

Feminismus ohne Intersektionalität ist weißer Feminismus. Die besten Blockchain-Projekte denken Race, Class und Gender zusammen:

AfroFuturism DAO in Ghana kombiniert traditionelle afrikanische Wirtschaftsstrukturen mit DeFi. Indigenous Protocol tokenisiert ancestral land rights. Queer Coin finanziert LGBTQ+-Projekte weltweit.

Diese Projekte zeigen: Die Zukunft der Blockchain liegt nicht in Tech-Bro-Fantasien, sondern in der Diversität der Communities, die sie nutzen.

Web3 und die Zukunft der Arbeit

Remote Work DAOs

Die Pandemie hat Remote Work normalisiert – aber feministische DAOs gehen weiter. Opolis bietet Freelancerinnen über Blockchain-basierte Kooperativen Krankenversicherung und Benefits. 

Das ist revolutionär: Statt auf traditionelle Arbeitgeber angewiesen zu sein, organisieren sich Arbeiterinnen direkt über Smart Contracts.

Tokenisierte Reproduktionsarbeit

BabyDAO in Südkorea experimentiert mit Community-finanzierter Kinderbetreuung. Parents staken Token für Betreuungsplätze, Childcare-Worker erhalten Token-Rewards. Das macht Reproduktionsarbeit ökonomisch sichtbar und kollektiv finanzierbar.

Ähnliche Experimente gibt es für Altenpflege, Hausarbeit und emotionale Unterstützung. Wie in meinem Artikel über tokenisierte Arbeitsrechte beschrieben, könnte das Gewerkschaften revolutionieren.

Die Grenzen feministischer Blockchain

Technologischer Determinismus

Blockchain löst keine strukturellen Probleme automatisch. Sexismus, Rassismus und Klassismus übertragen sich auch auf dezentrale Systeme. Die Annahme, dass "Code is Law" neutral sei, ignoriert die Biases der Programmierenden.

Energie und Privileg

Bitcoin Mining verbraucht mehr Strom als ganze Länder – und schadet damit überproportional dem Globalen Süden, wo die Klimaauswirkungen stärker spürbar sind. Feministische Crypto-Projekte müssen ehrlich über ihre ökologischen Kosten sein.

Die digitale Kluft

Nicht alle Frauen haben Zugang zu Smartphones, stabilen Internet oder die technischen Skills für Wallet-Management. Blockchain-basierte Lösungen können digitale Ungleichheiten verstärken statt sie zu lösen.

Praktische Schritte: Heute anfangen

1. Bilde dich weiter

Starte mit den Basics: Mein Krypto-Guide für Einsteiger erklärt die Grundlagen ohne Jargon. Dann vertiefe dich in feministische Ökonomie – Bücher von Silvia Federici oder Marilyn Waring sind ein guter Start.

2. Tritt Communities bei

FemTechGlobal, Women in DeFi oder lokale Blockchain-Meetups bieten Austausch und Mentoring. Online findest du feministische Crypto-Communities auf Discord und Telegram.

3. Probiere mit kleinen Beträgen

Eröffne Accounts bei Binance oder KuCoin und experimentiere mit 20-50€. Probiere verschiedene DeFi-Protokolle, stake kleine Beträge, mint ein NFT.

4. Unterstütze feministische Projekte

Investiere bewusst in Projekte mit diversen Teams und intersektionalen Ansätzen. Auch kleine Beiträge zu Gitcoin Grants für feministische Projekte helfen.

Die Zukunft ist kollektiv

Web3 wird nicht automatisch feministischer – aber es bietet Tools, die feministische Ökonominnen nutzen können. Von Care-Token über kollektive Ownership bis hin zu anonymen Spenden für Reproductive Rights: Die Blockchain kann patriarchale Strukturen durchbrechen.

Aber nur, wenn wir sie bewusst so gestalten. Die Technologie ist neutral – die Art, wie wir sie nutzen, nicht.

Die spannendste Frage ist nicht, ob Web3 weiblicher wird, sondern: Welche Art von feministischem Web3 bauen wir? Eines, das nur privilegierte Tech-Frauen inkludiert? Oder eines, das Care-Arbeit wertschätzt, intersektionale Gerechtigkeit fördert und kollektives Eigentum ermöglicht?

Die Antwort liegt in unseren Händen – und in unseren Wallets, DAOs und Communities. Let's build a feminist future, one block at a time.


Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Anlageberatung dar. Kryptowährungen sind hochriskante Investments. Informiere dich umfassend und investiere nur, was du dir leisten kannst zu verlieren. Die verlinkten Affiliate-Links unterstützen die Finanzierung dieses Blogs.

Links zu weiteren Artikeln aus dieser Serie:

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